Die deutsche Automobilwirtschaft ist mitten im digitalen Wandel. Die Elektromobilität ist von der Politik, aber aktuell noch nicht von den Käufern in Deutschland gewollt. Lesen Sie, was Wolfgang Kirchhoff, Geschäftsführer der KIRCHHOFF-Gruppe Iserlohn, eines der großen Automobilzulieferer in Deutschland, zum Thema Digitalisierung und Fachkräfte sagt.
Herr Kirchhoff, bevor wir in das eigentliche Thema einsteigen, hätten wir gerne gewusst, was die KIRCHHOFF-Gruppe macht und wo ihre Wurzeln liegen.
Unser Stammsitz ist Iserlohn. Mit weltweit über 13.000 Beschäftigten sind wir in vier Geschäftsbereichen aktiv. KIRCHHOFF Automotive ist davon am größten. Hier produzieren wir für die Automobilindustrie komplexe Lösungen für Rohkarosserien und Fahrwerke. In der KIRCHHOFF Ecotec bieten wir mit den Marken FAUN, ZOELLER, HIDRO-MAK und Superior Entsorgungs- und Straßenreinigungstechnologien. WITTE Tools produziert Schraubwerkzeuge in Premiumqualität. Und KIRCHHOFF Mobility rüstet Automobile für behinderte und ältere Menschen um. Gegründet wurden wir 1785 als Nadelfabrik mit einer Spitzenproduktion von 2,5 Millionen Nadeln pro Tag.
Der digitale Wandel ergreift allmählich alle Branchen. Wie stark ist ihre Gruppe davon betroffen?
In der deutschen Automobilbranche sind die Auswirkungen von Einflussfaktoren wie Dieselskandal, Handelsstreitigkeiten und Umweltdiskussionen auch konjunkturell spürbar. Die Elektromobilität ist aktuell interessant für große Städte, um dort die Schadstoffemission zu reduzieren. In ländlichen Regionen und auf Autobahnen fehlt noch die Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Wenn Elektroautos die „Verbrenner“ verdrängen, dann sind viele mittelständische Zulieferer betroffen. Die Meldungen über Auftragsrückgänge und Stellenstreichungen sind schon da. Da wir Karosserien produzieren, die auch für Elektroautos notwendig sind, sind wir so direkt nicht betroffen.
„Industrie 4.0“ ist ein Schlagwort, das zunehmend die breite Öffentlichkeit erreicht. Erobern Roboter und Künstliche Intelligenz auch Ihre Fabriken?
In unseren Produktionsstätten sind aktuell rund 1.200 Roboter und Maschinen aktiv. Wir beschäftigen uns schon seit vielen Jahren mit der Prozessautomatisierung. Was sich aber ändert, sind die Mensch-Maschinen-Schnittstellen. Die Käfige, in denen Maschinen eingesperrt sind, verschwinden allmählich. Neue Technologien ermöglichen eine schnellere und individuellere Produktion auch in kleinen Losgrößen und eine engere Kollaboration zwischen Robotern und Menschen. Außerdem sorgen in smarten Fabriken Sensoren für eine bessere Wartung der Maschinen (Predictive Maintenance). Auch in allen anderen Geschäftsprozessen sorgt die Digitalisierung für mehr Schnelligkeit und Effizienz. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Prozesse sauber sind.
Auf der Marktseite haben wir z. B. im Geschäftsbereich Ecotec intelligente Mülltonnen im Einsatz, die mithilfe von Sensoren den Füllstand anzeigen und vor allem in ländlichen Regionen für eine optimale Tourenplanung der Müllwagen sorgen.
Die Digitalisierung ist ohne Fachkräfte nicht zu bewältigen. Wie gehen Sie bei KIRCHHOFF mit diesem Thema um?
Der Fachkräftemangel ist ein weltweites Phänomen. Wir spüren ihn an allen Produktionsstandorten im In- und Ausland. Die Digitalisierung wird in den nächsten Jahren an vielen Stellen zu einem Abbau, an anderen Stellen zu einem Aufbau führen. Der Schlüssel für die Zukunft ist die Aus- und Weiterbildung. In der digitalen Welt ist vor allem die Mathematik eine wichtige Disziplin. Sie ist die Grundlage für alle Algorithmen. In anderen Ländern, vor allem in Osteuropa, haben Unternehmen auf diesem Feld schon einen gewissen Vorsprung erreicht. Wir investieren viel in die betriebliche Weiterbildung. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auch sehr weiterbildungsbereit.
Die Anforderungen der gut ausgebildeten jungen Leute an ihre Arbeit steigen. Unter dem Stichwort „New Work“ versuchen Arbeitgeber an Attraktivität zu gewinnen. Wie gehen Sie mit diesem Trend um.
Es müssen unserer Meinung nicht notwendigerweise bunte Räume, Startup-Flair und Campus-Atmosphäre sein. Google, Facebook & Co. haben trotz dieser hippen Umfelder und Traumgehälter die höchsten Fluktuationsraten. Das kann nicht unser Weg sein. Wir bieten auch das moderne Repertoire des Personalmanagements wie Betriebskita, Gesundheitsangebote, Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit. Kürzlich haben wir ein Büro in Dortmund eröffnet, um auch Mitarbeiter/innen zu gewinnen, die lieber in Ballungszentren statt in Iserlohn leben möchten. Auch haben wir eine Mitarbeiter-App mit aktuellen Neuigkeiten im Unternehmen. Wir sind als Geschäftsführung direkt erreichbar. Unsere Türen stehen offen.
Das Wichtigste aber ist und bleibt, dass wir uns um unsere Mitarbeiter/innen kümmern. Wir haben einen direkten und persönlichen Draht und helfen auch individuell in Notlagen. Das schweißt zusammen.
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Wie verändert sich die Führung und die Führungskultur in Ihrem Unternehmen?
Es ist schon erkennbar, dass klassische Hierarchien in der digitalen Welt nicht mehr so wie früher funktionieren. Entscheidungen werden zunehmend in Teams erarbeitet. Auch der Umgangston und die Kleidung wird lockerer. Das Duzen quer durch die Hierarchien hält auch bei uns Einzug.
Wie rekrutieren Sie Ihre Mitarbeiter/innen? Spüren Sie auf dem Arbeitsmarkt auch den Fachkräftemangel?
Ja, den spüren wir auch. Alle Unternehmen müssen da umdenken und ihre Aktivitäten intensivieren. Wir setzen daher auf eine gute interne Aus- und Weiterbildung sowie Personal- und Führungskräfteentwicklung. Empfehlungen unserer Mitarbeiter/innen und Kunden sind uns auch wichtig. Daneben setzen wir das gesamte Spektrum der Rekrutierungsinstrumente ein. Online-Personalmarketing über unsere Website und Facebook wird dabei immer wichtiger.
Zum Schluss noch eine Frage: Was empfehlen Sie anderen mittelständischen Unternehmen in diesen Zeiten der technologischen Umbrüche?
Ganz wichtig ist es, sich nicht auf Erfolgen auszuruhen, sondern sich und das eigene Geschäftsmodell immer wieder infrage zu stellen. Man muss sich regelmäßig neu erfinden.
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